
B[l]ogbuch #09 – Wohin soll bloß die Reise gehen?
„Am besten ganz weit weg!“- Ja die Frage muss ich mir in Anbetracht meines Nerves nun stellen. Möchte ich lieber in Süd-Frankreich abbrechen, wo ich die meisten Orte schon kenne oder möchte ich weiter ins Unbekannte? … Natürlich will ich weiter ins Unbekannte.
Ich kaufe in Modena auf dem Markt noch alle was haltbar und typisch ist für die Emilia Romana ein und schicke es zusammen mit etwas überflüssigem Zeug zu einem Spottpreis zurück zu meinen Eltern. Im Klartext heißt das Prosciutto, Parmesan, Balsamico und lange Klamotten für nur 30€ Versandkosten zurück nach Deutschland. Es wird Zeit diese unglaublich schöne Region zu verlassen. Aber erst noch ein letztes Gnocco Fritto.
Ich möchte nun die Apenninen nach Süden überqueren. Dafür fahre ich eine ganze Weile relativ schnell an einer Bundesstraße Richtung Bologna, bis mich mein Navi auf einen Land-Strich führt. Ja, kein Schreibfehler. Alle paar hundert Meter sitzen leicht bekleidete Frauen mitten in der Pampa und bieten vorbeifahrenden gegen Entgeld ihren Körper für einen bestimmten Zeitraum an. Das soll also der einzige Eindruck sein, den ich von Bologna bekomme?
Denn am Ortsrand von Bologna drehe ich ab in die Berge. Während ich verzweifelt nach einem geöffnetem Supermarkt suche, erklärt mir ein junger Zeitungsbote mit unverschämt kleinen Augen: „You won’t find an open one in this area. People like to sleep long.“ Und tatsächlich öffnen diese hier erst um 16:00 Uhr. Einige Dörfer und Stunden später, bin ich dann doch erfolgreich.
Obwohl es die meiste Zeit bergauf geht, motiviert mich die Landschaft und das Wetter. Ich komme gut voran, filme einiges, mache Fotos, höre Musik und erbringe den Beweis, dass man auch bergauf >drive all night< singen kann. Der Campingplatz wird noch mal etwas anstrengender zu erreichen und ist dazu auch noch ziemlich schäbig, jedoch macht seine Lage in einem Pinienwald am Lage du suvania das ganze wieder gut. Dort treffe ich auf Anna, Elisa, Mirko und Jack. Der Engländer ist mit seinen italienischen Freundin und ihren Freunden im Urlaub. Wir verbringen den Abend miteinander. Wir trinken Wein, reden über Italien, England und Deutschland, über Reisen und Essen und bringen uns gegenseitig Schimpfwörter in unserer Muttersprache bei.
Am Morgen komme ich nach dem gemeinsamen Frühstück nur schwer los. Der verdammte Wein. So oder so komme ich kaum voran. Die vedamnten Apenninen stellen sich als schwieriger als die Alpen heraus. Ich bin völlig am Ende als ich den Höhepunkt auf über 1.000m erreiche. Zum Glück gab es zwischendurch eine Quelle, bei der ich mich abkühlen und meine Vorräte auffüllen könnte, sonst hätte ich es nicht geschafft.
Mein nächstes Ziel ist Pistoia. Die Stadt liegt auf 20m über NN. Das heißt nun für mich mehr als 900 m Höhendifferenz auf gut 20 km Strecke. Da ich bei gut 50 km/h aus Angst die Bremsen ziehe, brauche ich für die 20 km doch noch eine halbe Stunde. Pistoia selbst kenne ich nur aus einer Pearl Jam-DVD, was jedoch für mich genug Anreiz war hier hin zu kommen und mir den Platz anzuschauen, auf dem sie 2006 gespielt haben. Bei 40 Grad verlasse ich die Stadt und kaufe mir im Supermarkt 300 gr durelli dell pollo. Von meinem Abendessen trennen mich jedoch noch 8 km Bergauffahren. Durelli dell pollo stellt sich später als Hähnchenleber raus. Immerhin ist es kein Katzenfutter… zumindest hoffe ich das.
Auch der nächste Tag ist ein ständiges auf und ab in der Toskana, wo jedes Panorama aussieht, wie das Etikett einer Olivenölflasche. Ich fühle mich richtig gut in dieser Umgebung und denke, dass es die richtige Entscheidung war in Italien zu bleiben. So komme ich auch durch Sienna, welches wie eine alte Festung auf einer Anhöhe liegt und nicht nur den größten Trichterplatz der Welt, sondern auch die langsamsten Bedienungen der ganzen Toakana hat. Wieder sind es die Höhenmeter, die mich erst spät am Campingplatz ankommen lassen. Während der alte Mann, der den Campingplatz leitet mich nicht versteht muss eine ehemalige Mitarbeiterin aushelfen, die hier zufällig gerade Urlaub macht. Er sieht mir die Erschöpfung an und noch bevor wir nach einen Platz schauen, bietet er mir Wasser und Bier an der Bar an. Das Bier würde mich jetzt umbringen, also nehme ich das Wasser dankend an. So habe ich mir die italienische Gastfreundschaft vorgestellt. Den Abend sitze ich an der Bar und schreibe, bis ich mit der Dolmetscherin von vorher und dem sehr jungen Barkeeper ins Gespräch komme. Das fühlt sich an wie Gesellschaft. Die Toskana gefällt mir immer besser. Hier könnte man bleiben.
Aber ich bin nicht losgefahren zum bleiben, sondern habe mich auf dem Weg gemacht um weiterzukommen. „Stillstand ist der Tod“ hat ein asiatischer Philosoph einst gesagt.
Guru: out!
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