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[B]logbuch #05 – Windschatten

Warum fährt man von Münster nach Gibraltar über Bayern? Wahrscheinlich wegen Weißbier, Weißwurst, weißen Gipfeln und was weiß ich. … und natürlich wegen Freunden.

Einer meiner ältesten und besten Freunde wohnt in Rosenheim seit ein paar Jahren. Da wir uns seitdem selten sehen, nehme ich das zum Anlass mehrere Hundert Kilometer Umweg zu fahren. Und Thorsten nimmt es zum Anlass sein Wochenende zu Opfer und sich aus Rosenheim herauszuwagen. Wir trefffen uns also morgens in Augsburg.

Während er vor einem verstörend perversen Brunnen sitzt und auf mich wartet, laufe ich fast an ihm vorbei. Mehr Haare, mehr Bart und mehr Sonnenbrille, als noch beim letzten Mal. Sein Pfeifen verrät ihn jedoch. Nach einer ordentlichen Unarmung suchen wir den Weg aus der Stadt. Sobald wir wieder an der Lesch sind haben wir uns so viel zu erzählen, dass das Navi fast in Vergessenheit gerät. Nicht das letzte mal am Tag verfahren wir uns. Reden und navigieren geht einfach nicht. Thorsten ist nicht der erste meiner Freunde, der das zu spüren bekommt.

Trotzdem fahren wir einen extrem sportlichen Schnitt. Zwischenzeitlich fahren wir in 2er-Formation im Windschatten – ich meistens ins Thorstens – mit zum Teil weniger als 30 cm Radabstand. Wir fahren 5 km in unter 10 Minuten. Das ist der physische Vorteil, wenn man nicht alleine fährt. Wir machen das erste mal nach knapp 50 km am Ammersee Pause. Zur Erfrischung springt Thorsten in den See.  Ich verzichte jedoch, da mein Handtuch weit unten im Gepäck steckt und ich nicht mit nassen Klamotten fahren will. Es folgen zwei Sportlerweizen und ein Eis zur Stärkung.

Während der Weg uns weiter über Dörfer und weniger am meist zugebauten See führt. Die Berge schleppe ich mich mit dem Rennrad weniger einfach hoch als Thorsten mit seinem Mountainbike – man beachte den Titel des letzten Eintrags. Da ich Thorsten Dach für die Nacht mittrage, möchte er mir helfen indem er versucht mich am Rucksack nach oben zu ziehen. Was kläglich scheitert. Später achten wir wieder genug auf das Navi, dass es uns auf einen Trampelpfad von 10 – 20 cm Breite und Baumwurzeln oder umgestürzte Böume führt, so dass ich mein Rad auf jeden Fall schieben zum Teil sogar tragen muss. Gegen Abend erreichen wir den Starnberger See und gönnen uns in folgender Reihenfolge Zelt aufbauen und Helles, Baden im See ohne Helles, Schnitzel und Helles sowie Sonnenuntergang und Helles. Wenn mit einem Kerl, dann mit Thorsten. Zum Abschluss eine Folge „Die ???“.

Am Morgen tauschen wir mit zwei Mädchen unsere Duschmarken gegen angewiderte Blicke. Da es bereits morgens regnet packe ich mich in Regenhose und Jacke ein. Was ich später am Tag bereue, da mir die Suppe aus dem Ärmeln läuft, als ich diese wieder runterkremple. Der Tag hat es wieder in sich wir machen fast 800 Höhenmeter im Voralpenland. Und während wir Serpentinen mit Mordsgeschwindigkeit herunterrasen müssen wir sie später wieder im Streckentempo wieder hoch. „Der Schulweg in Bayern ist kein Zuckerschlecken. Den ganzen Weg bergauf und der Rückweg auch.“ Ich weiß nicht ob ich alleine darauf Lust gehabt hätte, aber die Gesellschaft motiviert mich. Das ist der psychische Vorteil, wenn man nicht alleine fährt.

Die Erscheinung in Thorstens Wahlheimat sorgt bei mir für Herzrasen. Hier spürt man gsnz deutlich die Dreidimensionalität der Landschaft. Durch unser voranschreiten arrangieren sich die Bergketten immer wieder neu und alle paar Minuten entsteht ein neues Panorama. Ich bekomme Gänsehaut. Kurz vorm Ziel befinden wir uns auf einer Art Hochplateau mit immer wiederkehrenden leichten Gefällen. Wir fahren die Räder bis zu wackeligen 50 km/h aus und entsprechend erschöpft erreichen wir Thorstens Haus. Es folgen Sportlerweizen, Baden in der Mangfall, Burger und die Folge „Die ???“, über die ich am Vortag nach  5 Minuten eingeschlafen bin.

Den Folgetag verbringe ich in Rosenheim. Dass ich die Kassette des alten Rennrades nicht ausgetauscht habe, holt mich vorher mit den Bergen wieder ein. Ich lasse diese also vor Ort tauschen. Feucht über die Alpen fahre möchte ich noch einmal Ballast abwerfen. Die Frage ist: was brauche ich wirklich? Was kam zurück? Da mir der Rucksack eh zu schwer geworden ist und einige Gegenstände einfach überflüssig sind, beschließe ich diese zu meinen Eltern zurück zu schicken und nur noch mit Umhängetasche weiter zu fahren. Ich mache noch einige Besorgungen, bevor wir am Abend mit einigen Freunden von Thorsten grillen und einige Weißbiere vernichten. Erneut versuchen wir uns an der Folge „Die ???“. Den Rest kann man sich denken. Wir beginnen den nächsten Morgen mit einem originalen bayerischen Frühstück: (alkoholfreies) Weißbier, Weißwurst, süßer Senf und Brez’n. Da Thorsten mich nicht gehen lassen will gibt es zwei Runden Kaffee bevor der Abschied nicht mehr weiter hinausgezögert werden kann. Ich verbringe also den Tag damit wieder mit mir alleine klar zu kommen. Dabei komme ich nur langsam voran. Zwar schaffe ich Kilometer 1000 und erreiche die österreichische Grenze jedoch lasse ich mich auch von dem Festspielhaus in Erl sowie dem wunderschönen Inntal ablenken.

Um 15:00 Uhr habe ich noch nicht mal die Hälfte der Strecke geschafft. 120 km entlang der in bis nach Inntal stehen heute an. Dabei habe ich noch keine Unterkunft  für die Nacht und es fängt ausgerechnet jetzt auch noch an zu regnen. Ich bin frustriert in der Voraussicht eine Herberge buchen zu müssen. In letzter Stunde erreicht mich dann doch noch eine Möglichkeit privat unterzukommen und ich erreiche viel zu spät die Wohnung von Benny, welcher mit einer Dusche, warmem Essen und kaltem Bier auf mich wartet.

Geil! Es geht wieder bergauf… wortwörtlich.

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