„Mit dem Rennrad nach Gibraltar? … Das ist eine absolut dumme Idee!“ Ja, wahrscheinlich ist das so. „Was machst du denn, wenn du auf dem Weg einen Platten hast? Und sowieso, warum nimmst du denn nicht das Trekkingrad von Vattern?“ Naja, sehen wir es mal so. Viele Dinge, die sich später als absoluter Glücksgriff darstellen, fangen ja erstmal als Schnapsidee an. Viele Geschichten, die man sich gerne erzählt, gründen auf einer denkbar ungünstigen Situation, die sich später ins Gute kehrt. Und überhaupt: Wie soll man denn wachsen, wenn man sich immer wieder im gewohnten Raum bewegt?
Über meine Person
„Hi! Ich bin Jens, 27, Architekturstudent.“ … Moment! Name, Alter, Beruf? Das ist ziemlich Deutsch. „Hey! Ich heiße Jens und ich bin Freidenker!“ Oder zumindest wollte ich das immer werden. Was ich tatsächlich geworden bin? Nun, nach der Schule habe ich eine Ausbildung zum Veranstaltungstechniker gemacht. Spontaner Plan B! Roadie-Romantik und Rock’n’Roll-Attitüde, dachte ich mir und gewissermaßen stimmte das auch. Aber immer dann zu arbeiten wenn andere frei haben und zusätzlich auch dann zu arbeiten, wenn andere nicht frei haben, war auf Dauer auch keine Lösung. Da mir außerdem die Begabung und Leidenschaft für den Beruf fehlte kehrte ich zurück zu Plan A: das Architekturstudium. Tatsächlich eine größere Leidenschaft für mich und ein besserer Weg zum Freidenken. Die Architektur sei Universalwissenschaft, Kunstgattung und manifestierte Philosophie, sagt man. Nicht zu vergessen: Sie ist auch Lifestyle. Wenig Schlaf, viel Espresso. Schwarze Röhrenjeans, Sneaker, T-Shirts. Und natürlich alte Rennräder.
Tatsächlich konnte ich im Studium vielen alltäglichen Fragen nachgehen, die mich sowie andere Personen schon länger beschäftigen. Ist es richtig, so viel zu konsumieren? Brauche ich noch etwas Neues? Warum ist mein Smartphone das vierte mal in einem Jahr defekt? Und schnell merkt man, dass es der Maßstab ist, den man gerne außer Acht lässt. Also müssten die Fragen eigentlich lauten: Ist es richtig, die Natur zu zerstören, um uns selbst ein schönes Leben zu garantieren? Muss sich immer alles schneller entwickeln, als wir uns daran adaptieren können? Und warum gibt es einerseits eine so enorme Wertschöpfung und anderseits eine geringe Wertschätzung für die materiellen Dinge, die wie Satelliten um uns kreisen? … Oder sind wir es, die gedanklich um sie herum kreisen? Die Sache ist halt immer, was im Alltag von solchen Fragen übrig bleibt. Eine 60m2 große 2er-WG, 3-Zimmer-Küche-Bad, im Zentrum von Münster, klingt nicht gerade nach einem einfachen Lebensstil. Immerhin Altbau, aber so wirklich konnten die Fragen meinen Lebensstil nicht beeinflussen. Ist das ein Problem?
Über meine Reise
Mit dem Bachelor in der Tasche und kurz vor Beginn des Masterstudiums zieht es mich jedoch jetzt noch einmal raus aus dem Gewohnten. Rein in die ungewohnte Ferne. Dahin wo auch nur mit Wasser gekocht wird. Und am Ende gibt es dann einen Ratgeber „How to get lost. Wie man sich verliert.“. Ich glaube nicht! „But why to get lost?“
[to get lost]
1 to loose one’s way
2 to get deep into sth.
1 Seinen Weg verlieren? Ja vielleicht. Aber weniger im eigentlichen Sinne. Ich hoffe, dass mich mein GPS-Empfänger davor schützt. Vielleicht eher vom eigentlichen Weg abweichen. Den Alltag hinter sich lassen, ihn vergessen und noch einmal einen ganz neuen Status Quo zu definieren.
2 Sich in etwas verlieren? Definitiv! In mir selbst wahrscheinlich. Denn es gibt auch einige persönliche Gründe, die mich zu dieser Reise bewegen. Die Erkenntnis lange nichts mehr für sich selbst gemacht zu haben, ist einer davon. Aber auch andere Dinge, die viel zu privat sind, um sie zu teilen. Also die Gegenwart der Reise nutzen um sich in der eigenen Vergangenheit zu verlieren und die Zukunft neu zu ordnen.
Also soll es so sein! Mit dem Rennrad nach Gibraltar. Alles was man zum Leben braucht im wörtlichen Sinne auf sich zu nehmen, seine Sachen packen und für eine Weile verschwinden. Früher oder später Ballast abwerfen und sich auf das konzentrieren, für das man gemessen an der Wertschätzung zu tragen bereit ist. 1. Regel der Freidenkens: Eine andere Perspektive einnehmen.
Nein, dies ist kein Selbstfindungstrip. Dies ist ein Selbstverlierungstrip.