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[B]logbuch #06 – Grenzerfahrungen

Zugegebenermaßen, mein letzter Beitrag ist eine Woche her und ich werde jetzt über Dinge schreiben, die noch etwas länger her sind. Wer meine Route oder meinen Instagram-Blog verfolgt, wird bereits festgestellt haben, dass ich viel weiter bin. Aber ich kann euch beruhigen, denn wahrscheinlich wird den meisten die Zwischenzeit nicht so lange vorkommen wie mir. Warum ich so wenig schreibe? Es ist eine Kombination aus wenig Zeit, wenig Netz, wenig Akku. Wie dem auch sei, dieser Beitrag handelt von ersten Grenzerfahrungen und ist trotz allem im Präsenz verfasst.

Grenzerfahrungen, das sind in erster Linie Erfahrungen, bei denen man seine eigenen Grenzen kennenlernt. Physisch wie auch mental. Als ich also Benny’s Wohnung verlasse, um den Brenner zu überqueren, war ich mir sicher 1.000 Höhenmeter auf 40 km hört sich nicht schlimm an. 25 m auf einem Kilometer jedoch ist eine ziemliche Herausforderung. Vor allem dann, wenn es zwischendurch auch Abschmitte gibt, die flach und andere die doppelt so steil sind.

Und der Einstieg von Innsbruck zum Brennerpass ist einer dieser Abschnitte. Ich glaube dieser hat mir die Energie des Frühstücks direkt wieder aus dem Körper gezogen. Während ich auf den flachen Strecken wieder Kilometer mache und mich etwas erhole, vertraue ich meinem Navi so sehr, dass ich beschließe eine Abkürzung zu nehmen. Eine Abkürzung? In den Bergen? Ganz klar. Die kürzeste Strecke zwischen zwei Punkten ist eine Gerade und wenn es dort einen Weg gibt, sollte man den nehmen. Für 200 Meter geht das auch gut, dann aber wird der Abschnitt so steil und der Weg so schlecht, dass ich mein Rad für knappe 2 km über eine Schotterpiste durch den Wald schieben muss. Noch nie war ein Abschnitt der Tour so anstrengend.

Nach circa 30 Minuten komme ich auf einen Autobahnparkplatz und ich rieche Tagliatelle al funghi, sehe einen Supermarkt und höre das Dampfen der Kaffeemaschinen. Menschen laufen vor mein Rad und schauen mich an als sei ich nicht von dieser Welt. Ich lasse dieses surreale Erlebnis einfach hinter mir liegen und mache meine Kilometer zum richtigen Pass. Mein Vater hat mir dort eine Pizza und Bier versprochen, die auf seine Kappe gehen sollen. Das wäre dann meine erste Pizza in Italien. Ich nehme also mit dieser Motovation meine letzte Kraft zusammen und stelle mir ein kleines romantisches Dorf mit einer Gaststüb’l mit unverschämt aufwendig verzierten Gibeln vor. Tirol eben. Diese letze Steigung ist ähnlich stark wie der Einstieg, aber deutlich länger. Ich quäle mich mit scheinbar letzter Kraft hoch und mich erwartet hier eine mentale Grenzerfahrung.

Das Bild der Autobahnraststätte wiederholt sich in schlimmerer Form. Die Grenze erkennt man nur an Militärtruck und den schwer bewaffneten Soldaten sowie einem viel kleineren Schild mit der Aufschrift „Italia“  An diesem besonderen Ort genau an der Grenze steht ein Outletcenter für Sportartikel. Auf 1.300 m über NN. … Wofür braucht man sowas? Lohnt es sich wirklich den Ramsch auf LKWs hier hochzukarren und dann für viel zu wenig Geld zu verschärbeln? Nicht dass die Leute weniger ausgeben, sie bekommen einfach nur mehr. Und ich bekomme zu viel. Zum Glück ist da vorne eine Pizzeria. „Entschuldigung, wir schließen gerade.“ … Nichts wie weg hier. Nichts hält mich mehr hier, auch keine Erinneungen, keine Fotos. Aber immerhin: Bella italia.

100 km „rollen lassen“ bis nach Bozen, hatte mein Vater mir außerdem versprochen. Und klar geht das auf der Brennerstraße, aber mit 50 km/h auf Serpentinen von LKWs überholt werden, ist nicht mein Ding. Deshalb lieber durch die Berge über den ungeräumten und von Erdrutschen betroffenen Brixen-Radweg folgen. Also in Brixen die versprochene Pizza einlösen und weiter durch Bozen nach St. Paul’s. Noch einmal den Berg rauf, wo Christa – eine längjährige Freundin der Familie auf mich wartet. Sie macht ein Foto von meinem Zieleinlauf und packt Fahrrad und mich in ihr Auto. Die letzen Höhenmeter bis nach Eppan will sie mir ersparen.

Was für ein Tag. Die Alpen und die Grenze überquert. 1400 Höhenmeter und 140 km hinter mich gebracht. Und jetzt sitze ich frisch geduscht in Christas Küche mit einem kühlen Bier in der einen und einem Teller frischem Risotto mit Zuchinnis aus dem eigenen Garten in der anderen Hand. … Mensch, haben wir uns lange nicht gesehen.

Comments (4)

  1. cs 24. Juli 2017 at 11:06

    Hallo Jens!

    Spanien?
    Gibraltar?

    Über Afrika?
    oder wie ist der Plan?

    Gruß vom 4. Kabinett…

    • Jens Bardenhorst 24. Juli 2017 at 14:05

      Der kurzfristige Plan ist Cappuccino und Wasser in Neapel. Aber morgen fahre ich über Nacht mit der Fähre nach Sardinien. Dann werde ich das erste mal auf der Tour Richtung Norden fahren, Sardinien durchqueren und mit der Fähre nach Barcelona. 🙂 … von da aus wird es dann wohl etwas geradliniger nach Gibraltar gehen.

      • cs 25. Juli 2017 at 10:43

        ok.

        ich nehme an, dass du in cagliari anlegst.
        ich empfehle dir den ein oder anderen abstecher an den strand der ostküste zu machen (zb costa rei). da ist sardinien in europa unschlagbar…
        aber ist das auch für dich der richtige weg? denn die ostküsste hat auch die ein oder anderen höhenmeter zu bieten…

        hau in die pedalen!

        • Jens Bardenhorst 25. Juli 2017 at 17:48

          Danke für den Hinweis, aber Höhenmeter sind meine Nemesis. ^^

          Also ich werde zuerst nach Milis fahren. Da ich dort jemanden kenne. Dann geht es in 1-2 Tagen nach Porto Torres. Ich habe mir sagen lassen, dass der Nordosten am schönsten sein soll.

          Ich denke aber so oder so, dass ich irgendwann noch mal nach Italien muss, ich habe einiges sein lassen, weil es mit dem Rad nicht ging: Venedig, Florenz und Rom zum Beispiel. Andere Sachen muss ich auf jeden Fall noch mal machen: Modena und Neapel zum Beispiel. Vielleicht ist die sardinische Ostküste auch was davon.

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